Sprittiger / alkoholischer Geschmack

18. August 2019
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Brennlust Blog Auswirkung auf die Qualität von Destillaten
Brennlust Blog Auswirkung auf die Qualität von Destillaten

Eine Leserfrage

Mich erreichte letzten Monat eine Frage von einem Leser: Martin wollte wissen, weshalb manche Gins mehr und andere weniger nach Alkohol schmecken, unabhängig von deren Alkoholgehalt. Manche Gins seien sehr sanft, andere widerum sehr sprittig. Woran liegt das, dass Destillate so unterschiedlich sind?

Dieser Frage möchten wir heute auf den Grund gehen.

Eins vorweg: Für die Beantwortung schauen wir uns in erster Linie Geiste an, also Destillate, die auf Basis von Neutralalkohol hergestellt werden. Edelbrände müssen aufgrund ihres Herstellungsverfahrens nochmals gesondert betrachtet werden.

Die Antwort

Zunächst herzlichen Dank für deine E-Mail, lieber Martin.

Das Thema „Alkoholischer Geschmack“ ist tatsächlich sehr interessant - vielen Dank für diesen Impuls!

Die Basis von Gin ist immer Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, also reines Ethanol mit 96%vol. Er ist völlig geschmacksneutral und wird immer aus Rohstoffen landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt. Damit meint man Kartoffeln, Getreide oder Obst - jeglicher landwirtschaftliche Rohstoff, der Stärke oder Zucker enthält, und aus dem durch Vergären Alkohol entstehen kann.

Dieser Ethylalkohol/Ethanol mit 96%vol (auf dem Markt übrigens auch Primasprit genannt), ist "sauber". Wir haben also kaum andere Alkohole wie Methanol, Propanol oder Butanol. Methanol, Propanol oder Butanol gehören auch zur Gruppe der Alkohole. Sie unterscheiden sich in ihrer Kettenlänge. So hat das Methanol lediglich nur 1 C gebunden, Ethanol hingegen 2, Propanol 3 und Butanol 4 C. Diese mehrkettigen Alkohole können einem Destillat einen kratzenden Beigeschmack verleihen können.

Nichtsdestotrotz gibt es auch bei Ethylalkohol leichte Unterschiede: die einen sind etwas weicher, die anderen etwas schärfer. Das kann auf das Endprodukt eine Auswirkung haben. Aber: diese Auswirkung ist wirklich minimal und ich bezweifle, dass der Bruttonormalverbraucher den Unterschied schmecken würde. Viel entscheidender auf die Aromatik eines Gins ist das Herstellungsverfahren.

 

Ein Blick auf die Herstellung

Schauen wir uns an, wie Gin oder Geiste hergestellt werden, bzw. welche Herstellungsschritte durchlaufen werden:

  1. Der Ethylalkohol kann (muss aber nicht) mit Botanicals eine gewisse Zeit mazeriert werden,
  2. danach kann (muss aber nicht) der Gin nochmals destilliert werden.
  3. Nach diesem Destilliervorgang hat man ein Destillat mit ca. 70 - 80%vol.
  4. Entweder wird dieses Destillat nun mit Wasser verschnitten und auf den gewünschten Alkoholgehalt eingestellt - oder man verschneidet das Destillat zusätzlich mit anderen Destillaten und kreiert somit einen Blended Gin.
  5. Nach dem Verschneiden kann (muss aber nicht) der Gin oder Geist filtriert werden.

 

Die kritischen Stellen

 

  • Art und Weise des Einsatzes der Botanicals

    Wurden möglicherweise Botanicals eingesetzt, die alkoholisches Aroma unterstützen? Das können z.B. Zitrusfrüchte bewirken oder Ingwer. Ich habe einen Ingwer-Zitronen-Likör und alternativ für alkoholfreie Cocktails ein alkoholfreies Ingwer-Zitronen-Sirup. Selbst bei diesem alkoholfreien Sirup könnte man meinen, da sei Alkohol drin.

 

  • Destilliervorgang

    Man kann sehr, sehr unterschiedlich destillieren – schnell und heftig oder sanft und gemächlich. Ich denke du kannst dir selbst vorstellen, welche Variante dem Destillat besser bekommt. ?

 

  • Das Verschneiden mit Wasser

    Hier ist man sich unter Brennern noch uneinig: Die einen sagen: unbedingt langsam (also über mehrere Tage) und kalt verschneiden. In der Praxis würde das so aussehen, dass sowohl das Destillat, als auch das Wasser kalt sind, z.B. 4°C. Dem Destillat wird dann immer wieder ein kleines bisschen Wasser zugemischt, bis man die gewünscht Alkoholstärke erreicht hat. Andere Brenner sagen: Hauptsache das Destillat und das Wasser sind kalt, das Vermengen der beiden, kann man jedoch auch an zwei Tagen erledigen. Ich persönlich bevorzuge das Heruntersetzen über mehrere Tage bzw. Wochen. Über eine Sache ist man sich einig: dass hierfür kalkarmes Wasser am besten geeignet ist.

    Frisch „heruntergesetzte“ Destillate neigen dazu, einen leicht scharfen Alkohol-Geschmack aufzuweisen. Eine kurze Lagerung von 2 Wochen reicht schon aus, dass sich diese Schärfe legt.

 

  • Filtration

    Die meisten Destillate, die es auf dem Markt zu kaufen gibt, wurden filtriert. Das bedeutet, dass das Destillat entweder mithilfe der Schwerkraft durch einen Filter fließt oder mit Druck durch Filterschichten gepresst wird. Den Hintergrund zum Filtrieren findest du in diesem Beitrag. Ein Destillat, das frisch filtriert wurde, weist eine alkoholische Schärfe aus. Einfach mindestens 4 Wochen lagern, und die Schärfe ist weg. ?

 

Ein täuschender Trick: Zucker

So – und nun gibt es ganz fuchsige Brenner, die ihr Destillat „weich“ machen, in dem sie ihm Zucker beimengen. Zucker ist zudem ein Aromaträger und kann bewirken, dass gewisse Botanicals besser hervortreten. Bei einem London Dry Gin sind sogar 0,1g Zucker je Liter erlaubt! Völliger Unsinn, denn „Dry“ bedeutet eigentlich, dass der Gin ungezuckert sein sollte. An dieser Stelle distanziere ich mich von der Zuckerung von Destillaten grundsätzlich.

 

Fazit

Wie du siehst, können für wahrgenommenen, alkoholischen Geschmack unterschiedliche Faktoren verantwortlich sein. Vielleicht ist einfach nur Ingwer im Destillat? Vielleicht wurde einem besonders weichem Gin Zucker beigemengt, sodass der andere Gin fast gar scharf daherkommt? Oder wurde der Gin womöglich recht schnell hergestellt und sofort abgefüllt und er würde nach ein paar Wochen schon viel runder schmecken?

Lieber Martin, ich hoffe ich konnte dir die Frage so gut es ging beantworten.

Herzliche Grüße
Andrea

Brennlust_Destillerie_Stockach_Andrea_Koch

Autorin Andrea

Ich brenne nicht nur für mein Leben gerne - sondern teile auch gerne mein Wissen, Erfahrung und Leidenschaft. In meinen Blogbeiträgen nehme ich Dich mit in den Alltag in unserer Brennerei und auf unseren kleinen Obstbaubetrieb. Natürlich gibt es zwischendurch auch Drinks zu genießen.

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